Heimatbuch des Kreises Eckernförde, 3.Auflage, 1967, Verlag J. C. Schwensen, Eckernförde, S. 389-392

Die Eckernförder Malerfamilien Fiebig und Baasch, ca. 1780—1870

So eindeutig Asmus Jakob Carstens dem Klassizismus der Goethezeit angehört, er verschloss sich auch neuen Themen nicht, und einige seiner Kompositionen, wie die Zeichnungen zu Dantes Inferno und Goethes Faust, weisen bereits hinüber zur Romantik. Diese große Geistesbewegung hat den schleswig-holsteinischen Raum und insbesondere den Kreis Eckernförde auch im Bereich der bildenden Kunst — jedenfalls soweit es sich um schaffende Persönlichkeiten und deren Werke handelt — kaum berührt. Die Zeit der Romantik brachte uns anscheinend nur das Biedermeier. Dieser Stilepoche und der ihm vorange­henden bürgerlichen Porträtkunst gehören in der Hauptsache die Werke an, die etwa zwischen 1780 und 1860 von Eckernfördern geschaffen wurden. Damals lebten hier die beiden miteinander verschwägerten Malerfamilien Fiebig und Baasch.

Ihnen voraus ging der Maler Johann Mathias Hinrich Friede; er muss vor 1750 geboren sein und starb schon im sechsunddreißigsten Lebensjahr in Eckernförde. Bis jetzt kennen wir kein Gemälde von seiner Hand. Aber seine Witwe Dorothea Rebecca Gabriele, geb. von Bergen, heiratete um 1785 den zehn Jahre jüngeren «Kunstmaler» Andreas Hinrich Fiebig. Er war 1757 in Eckernförde geboren und entstammte einer aus Merseburg eingewanderten Sattler- und Lohgerberfamilie. Im «Ochsenkopf» bewohnte er das heute noch erhaltene Haus Nr. 5. Unter dem Sintflutbilde der Eckernförder Nikolaikirche, das die Totengilde «Behebung» 1817 erneuern ließ, findet man seinen Namen, weil er damals Ältermann dieser Gilde war; er muss also in seiner Vaterstadt angesehen gewesen sein. Das Inventarverzeichnis seines Hauses gibt an, dass er 74 Ölbilder und 48 Aquarelle besaß. Die Zahlen deuten, mögen auch manche dieser Bilder nicht von seiner Hand gewesen sein, auf Fruchtbarkeit seines Schaffens. Doch ist bisher nur ein einziges Werk von ihm bekannt: das Porträt seiner Ehefrau von 1785, ein Kopf-Brust-Bild mit fein ausgeführten Gesichtszügen und großer, in allen Einzelheiten sorgsam gemalter Staatshaube. Andreas Fiebig starb am 10. Januar 1821.

Sein Schüler und späterer Schwiegersohn Hans Friedrich Baasch war der Begabteste der Eckernförder Künstlergruppe. Am 22. November 1784 als Sohn eines kleinen Bauern in Grasholz geboren, wanderte er 1807 nach Kopenhagen, wo er im Sommer als Malergeselle arbeitete und im Winter die Akademie besuchte. Hier ging es ihm ähnlich wie Asmus Jakob Carstens. Seine Hoffnung auf die Goldene Medaille des Jahres 1812, mit der ein Rom-Stipendium verbunden war, erfüllte sich nicht, er erhielt nur die große silberne. Da brach er gekränkt sein Studium ab und kehrte nach Eckernförde zurück, wo er noch im gleichen Jahre die Tochter seines Lehrmeisters heiratete und sich als Dekorationsmaler niederließ. Neben seiner handwerklichen Arbeit schuf er Porträts, die als schlichte, aber wirkliche Kunstwerke gelten müssen. Das bekannteste und wohl beste ist das 1822 geschaffene Bildnis des Eckernförder Schmiedemeisters Daniel Timm, das sich in Kieler Privatbesitz befindet. Es zeigt in seiner zurückhaltenden Farbigkeit, dem hell beleuchteten Gesicht bei dunklem Hintergrund und dunkler Kleidung sowie in der genauen Ausprägung physiognomischer Einzelzüge den Einfluss des Kopenhagener Akademieprofessors und Malers Christian August Lorentzen. Wohlgelungen und reizvoll ist auch Hans Friedrich Baaschs Selbstbildnis von 1812: ein jugendlicher Künstlerkopf mit lässig wirrem Haar, unruhig suchenden Augen und einem eigenwilligen Zug um Nase und Mund.

Ein Nachkomme des Malers, der Photograph Walter Baasch, hat rund dreißig noch vorhandene Porträts von H. F. Baasch registriert und außerdem eine Anzahl Aktstudien aus seiner Kopenhagener Akademiezeit aufgefunden. Unter den Porträts befinden sich mehrere Bildnisse bedeutender schleswig-holsteinischer Persönlichkeiten, z. B. des Grafen Cai Reventlow auf Altenhof, der dänischer Staatsminister und Präsident der Deutschen Kanzlei in Kopenhagen war und 1848 an der Seite seines älteren Bruders Fritz Reventlow, Emkendorf. in der schleswig-holsteinischen Bewegung führend mitwirkte. Auch Cai Reventlows zweite Gattin, Louise geb. Bernstorf, wurde von H. F. Baasch porträtiert. Im Jahre 1817 malte er ein lebensgroßes Bild Martin Luthers für die Eckernförder Nikolaikirche; es lässt die Grenzen seiner Kunst, der das genaue Porträtieren nach dem lebenden Modell am gemäßesten war, deutlich spüren.

Die Blütezeit seines Schaffens lag in den Jahren 1820 bis 1835. In dieser Zeit besaß er auch bürgerlich eine geachtete Stellung und wurde zum städtischen «Deputierten» gewählt. Aber sein schwieriges Temperament verschaffte ihm bald Feinde, so dass er sich um 1835 auf sein elterliches Grundstück in Borby zurückzog, das er nach seinen Ansprüchen ausbaute. Bald danach — Aufträge und Anregungen mögen ausgeblieben sein — entsagte er seiner Kunst; aber erst am 14. Mai 1853 starb er im 69. Lebensjahr. L. Martius urteilt über sein Schaffen:
"Mögen auch nicht viele Bilder von Baasch solche Qualität erreicht haben (wie das Porträt Dan. Timms. D. Verf.), so ist sein Werk doch ein erfreuliches Beispiel für die Höhe biedermeierlicher Bildniskunst in einem ländlichen Bezirk lokaler Gebundenheit, wie es Eckernförde damals war."

Die Söhne A. H. Fiebigs und H. F. Baaschs erbten das Talent ihrer Väter. Vom Leben Carl Rudolph Fiebigs des Jüngeren, der am 10.2.1812 in Eckernförde geboren wurde und in Kopenhagen am 23.2.1874 starb, wissen wir wenig. Auch er studierte an der Kopenhagener Akademie, gewann dort 1837 die «Kleine Silbermedaille» und war darauf wohl einige Jahre als Porträtmaler in Eckernförde tätig. W. Baasch berichtet 1938, dass «eine große Anzahl von Gemälden aus dieser Zeit in alten Familien unserer Stadt zu finden» seien. Sicher ist, dass Fiebig der Jüngere 1840 nach Kopenhagen übersiedelte und etwa um die gleiche Zeit oder ein Jahr darauf Marie Anna Spiegelhalter, die Tochter eines Wachtmeisters am Christianspflegehaus, heiratete. Die Übersiedlung in die dänische Hauptstadt mag — wie L. Martius meint — sein Leben und seine Kunst besser vor dem Versanden bewahrt haben, als Eckernförde es vermocht hätte. Jedenfalls erhielt er in Kopenhagen zahlreiche Aufträge und erntete Anerkennung. Dreißigmal — von 1837 bis 1869 — beteiligte er sich mit insgesamt 91 Arbeiten an den jährlichen Kunstausstellungen im Schloss Charlottenborg. Unter den in Deutschland befindlichen Bildnissen von seiner Hand zeichnen sich die des Weinhändlers und Senators Georg Wilhelm Dammann und seiner Ehefrau Emilie aus.  Sie sind, wie die meisten Porträts Fiebigs, in kleinerem Format gehalten (41:32 cm), bilden in sorgsamer und zarter Malweise die Kleidung und Haartracht der Biedermeierzeit nach und sind auch in der Darstellung der gelassen-zufriedenen Physiognomien, die nur vorsichtig das eigentlich Individuelle andeutet, typisches Biedermeier. L. Martius bezeichnet G. R. Fiebigs Bildnisse als «sehr ansprechend, wenn er auch in einer gewissen geschäftsmäßigen Routine kaum zu tieferer geistiger Durchdringung und individueller Bildgestaltung gekommen ist.»

Der Jüngste der Eckernförder Malergruppe Fiebig-Baasch ist der am 24. März 1819 geborene Johann Friedrich Theodor Baasch, dem die Begabung aus beiden Familien zufloss, da seine Mutter eine Tochter A. H. Fiebigs des Älteren war. Auch er studierte und malte wie sein Vater in Kopenhagen, wo er von 1839 bis 1844 ein später Schüler Christoffer Wilhelm Eckersbergs war, eines Landschafts- und Historienmalers, mit dem das «Goldene Zeitalter» der dänischen Malerei begann. Seinem Lehrer folgend, neigte Baasch der Jüngere weniger zum Porträt als zur Landschaft und, da sich die Historienkomposition als zu schwierig für sein kleines Talent erwies, zu genrehaften Darstellungen. Seine Stärke waren die Zeichnung und der zeichnerische Entwurf, nicht die Malerei. Von seiner Kunst des Zeichnens zeugt u. a. ein kleines Aquarellbild seiner Braut Agnes Meyer aus dem Jahre 1847. An seinen Lehrer erinnert auch später noch seine Vorliebe für «kühle, klare Farben und schwierige perspektivische Konstruktionen».6 In dieser Art schuf er eine Reihe stadtgeschichtlich wertvoller Federzeichnungen, denen er eine leichte Farbigkeit gab: die drei Eckernförder Windmühlen (1857), das Marien-Louisen-Bad in Borby (ebenfalls um 1857) und eine Ansicht Borbys mit der Kirche (1867).

Nüchternheit gepaart mit Anmut, Würde vereint mit kleinbürgerlicher Behaglichkeit. Dass diese Zeit aber mit dem Jahre 1848 eigentlich vorübergegangen war, erfuhr Baasch der Jüngere am eigenen Geschick. Er wurde Soldat, erlebte die Schlacht bei ldstedt, musste seine Eheschließung bis 1852 hinausschieben und erhielt nach dem Kriege von den verarmten Bürgern kaum noch Aufträge. Da folgte er notgedrungen dem Zuge der Zeit zum billigeren technischen Verfahren. indem er 1853 die neue Erfindung der Photographie in Eckernförde einführte und eine Werkstatt gründete, die nach seinem Tode 1872 von seinem Sohn und später vom Enkel übernommen und erweitert wurde. Aber lieber als die Lichtbildnerei war ihm seine Tätigkeit als Zeichenlehrer am Eckernförder Lehrerseminar. Im Gegensatz zu seinem cholerischen Vater war Baasch der jüngere auch als Charakter eher ein Mensch des Biedermeiers: gütig, sanftmütig, fromm und daher überall wohlgelitten. 1870 wurde er zum Stadtverordneten gewählt.